Kalender 2019

Biberach – Die alten Gassen und Plätze

Titelbild

Erker der „Pflummern’schen Kaplanei“ – Haus Karpfengasse 9 um 1930

Das Haus Karpfengasse 9, auf dessen Rückseite der Blick geht, ist ein altes Patrizierhaus. 1544 gehörte es dem Patriziergeschlecht Scherrich und 1601 dem von Brandenburg. 1747 erwarb es die „von Pflaumerische Fabric“ mitsamt zwei Gärten, wie sie schon im Stadtplan von 1622 eingezeichnet sind. Seither war das Gebäude das „Pflummern‘sche Kaplaneihaus“ und von 1918 bis 1949 auch Kuratkaplanei. 1962 wurde sie im Zusammenhang mit der Errichtung der Katholischen Pfarrei St. Josef in Birkendorf vom Bischof mit der neuen Pfarrei vereinigt, aufgelöst und das Gebäude von der Katholischen Kirchengemeinde an die Stadt Biberach verkauft, die es 2017/18 mit hohem Aufwand grundlegend sanierte. Unvergessen sind die Kapläne Andreas Schilling, der Herausgeber der Chroniken des Heinrich und des Joachim von Pflummern, und Oberstudienrat David Müller. Der Garten ist heute verschwunden, und der kleine Schuppen zwischen der Pflummern‘schen Kaplanei und dem Gerstenhaus musste einem Durchgang Platz machen.

Januar

Blick von der Glockengasse auf den Kirchturm der Stadtpfarrkirche um 1930

Den Rahmen für das Bild geben die Häuser Gymnasiumstraße 18 (rechts) und 16 (links), die bereits 1704 bestehende Gastwirtschaft zur „Stadt“. 1930 gehörte die Gaststätte der Brauerei Warthausen. Nach dem Brand am 1. Januar 1982 wurde nach historischem Vorbild ein neues Gebäude erstellt. Hinter dem Giebel des Hauses Gymnasiumstraße 9 erblickt man ein Türmchen des „Schadenhofes“, den 1596 Euphrosine Schad von Mittelbiberach zu Warthausen als Stadthaus erbaute. Die Kuppel und der 69,30 m hohe Turm der Stadtpfarrkirche St. Martin wurden 1933 renoviert. Die jetzigeFarbfassung stammt aus dem Jahre 1985. Über der Turmhaube im Freien hing die 1933 beseitigte Viertelschlag-Glocke.

Februar

Der Schwanenkeller – exklusive Hanglage am Gigelberg

Der malerische Schwanenkeller mit Bogenhalle und Mansardendach wurde 1812 von Schwanenwirt Dollinger bei seinem schon 1728 gegrabenen Keller erstellt. Von den neun Sommerkellern, die der Biberacher Maler Hermann Volz 1846 in einer Lithographie dargestellt hat, haben neben dem Schwanenkeller nur der Pflug- und der Biberkeller überlebt.

März

Blick vom Kirchturm auf den Gigelberg mit seiner Wehranlage um 1930

Wahrzeichen der Stadt ist die alte Stadtbefestigung auf dem Gigelberg mit dem 1484 fertiggestellten Weißen Turm, der Hochwacht und dem Gigelturm. Bis 1897 diente die Hochwacht, wie der Gigelturm dem „Gigelmann“ am Tage, den vier Hochwächtern während der Nacht als Ausguck: Im Winter ab 19.00 Uhr, im Sommer ab 20.00 Uhr hatten sie bis morgens um 4.00 Uhr „die Aufsicht auf alles, was in Bezug auf ein Brandunglück gefährlich oder verdächtig ist, zu führen.“ Damit sie bei Regen nicht ungeschützt hin- und hergehen mussten, wurde für sie der 1813 auf Befehl der Regierung abgebrochene Wehrgang zwischen Hochwacht und Gigelturm im Jahre 1823 wieder errichtet. Auf dem historischen Bild sind im Vordergrund rechts die Giebel der Weinstube „Rebstock“ und der damaligen Gastwirtschaft zum „Schwarzen Adler“ (Consulentengasse 9 und 11) angeschnitten. Vollends abgebrochen wurde 1989 das dahinterliegende Traufhaus Weberberggasse 33, das der Schreiner Augustin Blaßnek 1829/30 als zweistöckiges Wohnhaus mit 6 Wohnungen erbaut hatte. Umgebaut ist das 1879 errichtete Bräuhaus der Brauerei zum „Biber“.

April

Der „Rote Bau“ –Kulturdenkmal aus Backstein

Ab 1866 ließ der Ornatfabrikant Carl Friedrich Neff die ursprünglich viel größer geplante Anlage als Schwesternhaus für die 1846 in Ehingen begründete „Kongregation der Christlichen Barmherzigkeit vom III. Orden des Heiligen Franziskus“ des errichten. Architekt war Bezirksbaurat Carl Josef Banholzer. Bis 1869 war der Neubau aus rotem Sichtbackstein das Mutterhaus der Kongregation. Zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870 verlegten die Schwestern ihr Mutterhaus in das ehemalige Franziskanerinnenkloster Reute bei Bad Waldsee. Der „Rote Bau“ war während dieses Kriegs ein Lazarett mit 100 Betten und 20 Reutener Schwestern. Danach war er kurzzeitig Frauenarbeitsschule und Firmensitz der „Carl Neff Kunststickereianstalt Württemberg“. Im Jahre 1876 erwarb ihn der Hospital zum Heiligen Geist, erweiterte ihn nach Süden und verlegte den Spitalbetrieb aus dem „Alten Spital“ in dieses nunmehrige „Neue Spital“, das ab 1912 – nach dem Bau des Bezirkskrankenhauses an der Riedlinger Straße – als Altenheim genutzt wurde. Am 26. Oktober 1970 beschloss der Gemeinderat wegen eines Um- und Ausbaus des anliegenden Bürgerheims, den „Roten Bau“ abzureißen. Dazu kam es aber nicht, weil er ab 1980 von städtischen Ämtern belegt wurde, die wegen Renovierungsarbeiten umziehen mussten. Danach wurde er ab 1989 als Wohnheim genutzt, nacheinander für Spätaussiedler, Asylbewerber und Obdachlose. Als der Abriss 2011 erneut diskutiert wurde, regte sich bürgerschaftlicher Protest. Er sorgte dafür, dass das Gebäude von 2014 bis 2016 für circa 4,9 Millionen Euro umfassend saniert und für eine Archivnutzung umgebaut werden konnte. Seit September 2016 beherbergt es das Stadtarchiv der Stadt Biberach und das Wieland-Archiv der Wieland-Stiftung.

Mai

Die Emmingergasse beim „Holadenbeck“ um 1930

Ein Zugang zum Weberberg führt durch die Emmingergasse, die nach dem Lithographen Eberhard Emminger (1808-1885) benannt ist, der 1836 mit seiner Frau im Haus Emmingergasse 8 wohnte. Während das Haus Emmingergasse 4 (rechts) 1983 abgerissen und neu gebaut wurde, sind die Häuser Emmingergasse 3, früher der „Holadenbeck“ von Karl Schmid, und das links angrenzende Eckhaus, Justinius-Heinrich-Knecht-Straße 5, erhalten. Dieses Haus hatte 1732 Johann Christoph Schaupp (1685-1757), des „Großen Rats und Hochfürstlich Kemptischer Edelstein- und Siegelschneider“ käuflich erworben.

Juni

Altes und Neues Rathaus – schöne Verbindung

Seit 1782 waren das Alte (erbaut 1432) und das Neue Rathaus (1503) durch einen auf Säulen ruhenden Gang mit einem „Büttelstüble“ verbunden. Beim Umbau des Neuen Rathauses zum Königlich Württembergischen Oberamt im Jahre 1807 wurde dieser Übergang abgebrochen, 1828 – nach dem Rückerwerb des Neuen Rathauses durch die Stadt im Tausch gegen den Schadenhof – dann aber wieder ein bedeckter Übergang zum Alten Rathaus geschaffen. Das heutige gläserne Treppenhaus geht auf den 1984 abgeschlossenen Umbau der beiden Rathäuser zurück. Das Haus Waaghausstraße 1 (links) erwarb 1884 der Buchhändler Rudolf Hetsch. Die von ihm begründete, fast 100 Jahre bestehende „Dorn’sche Buchhandlung“ ist vielen Biberachern bis heute ein Begriff.

Juli

Der Marktplatz beim Biberacher Schützenfest 1929

Beim „Schützenfest“, dem großen Biberacher Kinder- und Heimatfest, füllt sich der Biberacher Marktplatz. Anders als heute war der Festzug am Schützendienstag im Jahre 1929 noch ein Schülerumzug, wie Adam Kuhn überliefert: „Die Mädchen kommen weiß gekleidet, die kleinen Knaben tragen ebenfalls weiße Anzüge mit Schärpen, der ganze Zug ist reich mit Blumen und Blattgrün geziert. Die Preise, die am Nachmittag zur Ziehung kommen, werden einzeln oder auf Ständern im Zuge mitgetragen. Mitgeführt werden Modelle der neuen Turnhalle, eines Luftschiffes, eines Auswanderer-Schiffs, begleitet von schmucken Matrosen, eines Sportwagens mit allerliebstem Kinderpärchen, einer riesigen Schnecke, von neckischen Zwergen bewacht, und der Tortürme der alten Reichsstadt samt dem Stadttheater mit dem Weißen Turm. Mit kleinen Pferden, Eseln, Ziegenböcken bespannte Wagen fuhren Gruppen aus dem Schützentheater früherer Jahre mit.“

August

Das Haus Zeughausgasse 4 um 1930

Schon immer galt das Haus Zeughausgasse 4 als eines der ältesten Häuser Biberachs. Im Vorfeld der in den Jahren 1986 bis 1990 durchgeführten Restaurierung des Hauses wurden 1985 Untersuchungen vorgenommen, die dies bestätigen: das Gerüst des zweischiffigen und dreizonigen Hauses wurde im Jahr 1319 abgezimmert, der Anbau im Norden 1354. Das Gebäude ist wohl als Handwerkerhaus erbaut, vielleicht als Haus eines Webers. Besitzer waren durch die Jahrhunderte Biberacher Händler und Handwerker. Es war bis 1985 bewohnt. Nach einer aufwändigen Sanierung wurde das Gebäude vorübergehend als Webermuseum genutzt.

September

Dreierpack – die ältesten Häuser an der Wielandstraße um 1930

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich – sieht man vom Abbruch des Außenkamins des Doppelhauses Zeughausgasse 6 (auf der rechten Seite) und dem Einbau einer Dachgaube im Haus 6/1 einmal ab – an den hier abgebildeten Gebäuden kaum etwas verändert. Rechts geht der Blick die Zeughausgasse hinab; links öffnet sich die Gießübelgasse. Wie die anderen Häuser ist auch das Haus Gießübelgasse 4 ein altes Weberhaus. Im Hintergrund spitzt der Giebel des Hauses Glockengasse 9 heraus, das 1769 als Bräuhaus der Gastwirtschaft zum „Strauß“ diente, 1887 in eine zweistöckige Scheuer umgebaut wurde und heute Wohnhaus ist. Das zeitgenössische Foto wurde beim Tag des Denkmals 2018 aufgenommen, als das Biberacher Stadtforum zahlreiche Besucher durch das Gießübel-Quartiert führte.

Oktober

Das „Töpferhaus“ – die Engelgasse 5 um 1930

Einer der bemerkenswertesten Biberacher Fachwerkbauten ist das Haus Engelgasse 5. Baugeschichtliche Untersuchungen ergaben, dass es 1421 – wohl durch einen Biberacher Barchenthändler – erbaut worden ist. Der Giebel wurde im 17. Jahrhundert vollständig verändert. 1622 gehörte das Haus dem Heimertinger Vogt Hans Motz, 1736 dem Hospitalpfleger Georg Friderich Gaupp. Doch schon 1802 war es unter fünf Eigentümern geteilt. Zwischen 1869 und 1899 erwarben der Metzger Franz Grotz und sein Sohn Karl Grotz Stück für Stück die einzelnen Anteile und vereinigten das Haus wieder in einer Hand. Bei der Sanierung im Jahre 1980/81 wurden beim Ausbau des Dachstuhls Dachgauben aufgesetzt.

November

Magdalenenkirche – ein Kleinod im Verborgenen

Für die Siechen (ursprünglich die Aussätzigen und die mit ansteckenden Krankheiten Behafteten) gab es vor der Stadt schon seit 1307 eine besondere Kapelle: die der Heiligen Maria Magdalena geweihte Siechenkirche. Sie wurde wohl 1404 neu errichtet, erhielt einen gewölbten Chor und ein Türmchen und 1500 einen neuen Dachstuhl. Nach der Auflösung des Friedhofs an der Stadtpfarrkirche wurde 1575 der Leprosenfriedhof als Katholischer Friedhof eingeweiht. Nach 1548 feierten in der Magdalenenkirche neben den Katholiken, deren Nutzungsrecht auf drei Tage im Jahr beschränkt war, die evangelischen Spitaluntertanen aus Attenweiler, Röhrwangen und Birkendorf an Sonn- und Festtagen ihre Gottesdienste. Noch bis in die 1930er Jahre nutzten im Sommer die Evangelischen die Magdalenenkirche für Früh- und Kindergottesdienste. Als Zugang für die Birkendorfer („Birkendorfer Kirchweg“) wurde 1909 das „Brückle“ über die Bahn erbaut.1960 erwarb die Katholische Kirchengemeinde die Kirche und erneuerte sie. Auf dem Friedhof befinden sich die Gräber des Lithographen Eberhard Emminger († 1885) und des Malers Jakob Bräckle († 1987), die Denkmäler für die Maler Anton Braith († 1905) und Christian Mali († 1906) und für den Reichsminister der Finanzen Matthias Erzberger, der 1921 von rechtsgerichteten Attentätern ermordet wurde. Vom 1887 abgebrannten Siechenhaus, das 1814 in ein Armenhaus umgewandelt wurde, sind keine Spuren mehr sichtbar.

Dezember

Der Marktplatz im Schnee – Winter im Jahr 1931

Der seit dem Mittelalter florierende Handel der Biberacher Handwerker und Kaufleute mit Tuch, Häuten und landwirtschaftlichen Produkten, vor allem Flachs und Getreide, trug ganz wesentlich zum Aufschwung der Stadt bei. Wirtschaftliches und politisches Zentrum des städtischen Lebens war der Markt, was noch heute die prächtigen Fachwerkhäuser zeigen. Der Marktplatz ist der zentrale Platz in der Stadt, auch wenn es daneben noch weitere Plätze wie den Sau-, Vieh-, Obst- und Holzmarkt gibt. Noch heute wird der Marktplatz am Mittwoch und Samstag als Wochenmarkt genutzt und für die großen Jahrmärkte an Michaelis und Martini, bei denen viele Menschen aus dem Umland zum Einkaufen und Bummeln in die Kreisstadt kommt.