Kalender 2020

Alt-Biberacher Häuserzeilen

Titel

Das „Stiegle“ zum Kirchhof um 1930

Das linke Haus auf dem Bild ist der Marktplatz 7. 1991und 1992 durchgreifend saniert, das im Kern aus dem Jahre 1293 und der Dachstuhl aus dem Jahre 1445 stammt. Das Erdgeschoß beherbergte die Wachszieherei Karl Müller. Als entbehrlich wurde 1887 das „Wächterhäusle“ abgebrochen, es stand im Bereich der Treppe rechts. Die Treppenanlage, das sogenannte „Stiegle“, wurde in der Folge zu zwei Aufgängen ausgebaut. Im Hintergrund der „Nonnenschopf“, ein Anbau an die Pfarrkirche Sankt Martin. Im Gebäude mit Eckturm, Waaghausstraße 1, waren die Verkaufsräume der „Dorn’schen Buch- und Papierhandlung“. Wie ein Zeigefinger macht der Eckziererker des „Neuen Rathauses“ auf die Wichtigkeit seines ihn tragenden Gemäuers aufmerksam.

Januar

Blick gegen Westen in die Bürgerturmstraße um 1931

Die Bürgerturmstraße hat ihren Namen von dem ehemaligen Bürgertum. Er war bis zur Erweiterung der Stadtmauer ein Stadttor und diente als Gefängnis, bis er 1844 abgebrochen wurde. Die Straße hieß früher Ulmerstraße und wurde im Volksmund auch „Hasengaße“ genannt, nach der an ihr gelegenen „Wirtschaft zum Hasen“. Auf der rechten Bildseite erkennt man am ersten Gebäude das Werbeschild des Urmachermeisters Bendel, es folgen die Bäckerei Eisinger, das Tapeziergeschäft Pfeffer und die Glaserei Montag. Das in die Straße hereintragende Haus ist die Sämischgerberei Kolesch, das 1943 abgebrochen wurde. Auf der rechten Bildseite kommt nach dem Ladengeschäft Bürgerturmstraße 15 das Geburtshaus von Johann Baptist Pflug. Danach sieht man noch die „Wirtschaft zum Hasen“. Die Aufnahme wurde wohl im Schneewinter 1931 gemacht.

Februar

Blick gegen Osten in die Bürgerturmstraße vor 1930

Vor der ehemaligen, nach dem Brand vom 21. und 22. Oktober 1907 neu erstellten Wirtschaft zum „Weißen Kreuz“, in der 1930 das Arbeitsamt untergebracht war, verengten die Konditorei Fezer (rechts) und das alte, 1894 umgebaute Bäckerhaus Bürgerturmstraße 19 (links), das damals dem Bäckermeister Christian Schlotterer gehörte, die Straße. Die Konditorei Fezer musste dem heutigen, 1930 errichteten Haus Bürgerturmstraße 20 weichen. Die Bäckerei Schlotterer wurde am 12. April 1945 durch Bomben zerstört und durfte nur mehr einstöckig wieder aufgebaut werden. Das Haus Bürgerturmstraße 14 (rechts), in dem 1930 der Uhrmachermeister Josef Bendel Werkstatt und Laden hatte, ist das Geburtshaus des berühmten Kursächsischen Hofjuweliers Johann Melchior Dinglinger (1664-1731) wie seiner Brüder Georg Friedrich (1666-1720) und Georg Christoph (1668-1728).

März

Blick in die Bürgerturmstraße vom Alten Postplatz um 1920

Links Bahnhofstraße 2, Weinrestaurant und Weinhandlung zum „Scharfen Eck“ des Daniel Beck. Neben Bürgerturmstraße 25 der die Nachbargebäude überragende Baukörper der Wirtschaft zum „Weißen Kreuz“. Dieses Gebäude war nach dem Brand 1907 neu erbaut und beim Bombenangriff 1945 wiederum zerstört worden. Vor dem mächtigen Bau der „Stadtfärbe“ standen als südliche Begrenzung der Bürgerturmstraße die Häuser Bürgerturmstraße 22 (1913 Michael Franz, Kaufmann, Inhaber der Firma F. J. Thiermann Sohn, Kolonial-, Material- und Farbwaren-, Delikatessen- und Seefischhandlung, Drogerie und Kaffeerösterei) sowie 24 und 26, die unter drei Eigentümern geteilt waren. Im Haus Bürgerturmstraße 21 richtete im Jahre 1910 der Apotheker Josef Zeller als dritte Biberacher Apotheke die „Weißkreuzapotheke“ ein. Ihren Namen erhielt sie vom gegenüberliegenden Gasthaus. Daran anschließend, Alter Postplatz 1, das Haus des Lithograph Hermann Sterk. Das Haus Alter Postplatz 3 hatte 1891 der Postmetzger Georg Schefold gekauft, ließ es 1898 größtenteils abbrechen und 1899 erweitern.

April

Die Hindenburgstraße im Jahr 1910

Die „Kronenstraße“ wie die 1933 in „Hindenburgstraße“ umbenannte Straße auch heute noch bei alten Biberachern heißt, war und ist eine der Hauptstraßen der Stadt. Die drei ersten Häuser rechts wurden nach dem Brand vom 30. Mai 1830 neu erbaut. Rechts außen sieht man das namensgebende Hotel „Krone“, lange die erste Adresse der Stadt. Das Erdgeschoß, der „Kronenladen“, war 1913 an Isidor Heinrich, Inhaber der Firma Brüder Landauer zur Krone, Manufakturwaren, Herren und Damenkonfektion vermietet. Die angrenzenden beiden Häuser gehörten dem Kaufmann Otto Müller als Inhaber der Firma J.J. Müller, Grob- und Kleineisenwarenhandlung, und dem Privatier Heinrich Forschner. Links folgt auf das Haus des Kaufmanns Fritz Dollinger, Konsum-und Nahrungsmittelhandlung, das Café und die „Weinwirtschaft zum Stern“, damals im Eigentum der Aloisia Kögel. Beide Häuser wurden 1983 abgebrochen und bis August 1984 neu gebaut. Das anschließende, 1913 unter drei Eigentümer – dem Bäckermeister Eugen Handtmann, dem Hutmachermeister Moritz Mayer und dem Sattler- und Tapeziermeister Kaspar geteilte Haus beherbergte auch die „Wirtschaft zur Linde“. Gut erkennbar sind noch das Haus des Uhrmachers Friedrich Fimpel (heute Schilling) und das des Kaufmanns Johann Krug, Inhaber der Firma Franz Xaver Angele, Kolonialwaren- und Delikatessenhandlung.

Mai

Der Backsteinbau Marktplatz 11 und 13 um 1910

Am 15. und 16. Februar 1897 wurden die beiden Vorgängerbauten durch einen Brand völlig zerstört. An gleicher Stelle wurde das neue Gebäude als moderner Backsteinbau errichtet, was den ganzen Marktplatz in den Augen der Zeitgenossen verunstaltet habe. Die Gebäude in der Nachbarschaft sind weitgehend erhalten: Links erkennt man die Hindenburgstraße 2, das Haus des Gold- und Silberarbeiters Albert Ziehers. Hinter dem Marktbrunnen sieht man das Haus Marktplatz 9, in dessen Erdgeschoß der Frisörmeister Karl Wiesler sein Geschäft hatte. Neben dem Backsteinbau rechts steht das Haus Marktplatz 15 mit dem Modewarengeschäft des Kaufmann Fritz Keller.

Juni

Die Schrannenstraße um 1920

Die Schrannenstraße zweigt etwa in der Mitte des Marktplatzes nach Süden ab und führt an der Westseite des städtischen Kornhauses (früher Gräth genannt) über die Karpfengasse zum sogenannten Gerstenhaus (ehemals Pfarrpflege-Zehentstadel), die heutige Volkhochschule. Das erste Gebäude links ist die Karpfengasse 12 mit der Werkstatt des Drechslermeister Friedrich Hoh. Auf der rechten Seite ist die Karpfengasse 8 mit dem Uhrmachergeschäft Schilling. Das namensgebende und beherrschende Gebäude in der Straße ist die Schranne, das alte Gräth-, Korn- und Schuhaus der Stadt. Das Gebäude erhielt wohl 1593 durch den Anbau des neuen Schuhauses (oder Kornhauses) an das bestehende Waaghaus oder Gräth seine heutige Gestalt. Heute befinden sich Einzelhandels-, Gastronomie-, Dienstleistungs- und Wohnnutzungen in diesem Gebäude.

Juli

Festwagen mit der Schützendirektion von 1929

Der Marktplatz dürfte seit dem Abbruch des alten Schuhauses (Kaufhalle) im Jahr 1561 keine wesentlichen Veränderungen erfahren haben. Das Gebäude links ist der Marktplatz 14 mit der Tuch- und Herren-Konfektionshandlung Heckenberger. Heute residiert hier das „Modehaus Kolesch“. Nach wie vor ist die Marktapotheke im Marktplatz 10. Im Marktplatz 8 war die Hutmacherei von Gustav Beischer. Heute werden hier Brillen verkauft.

August

Die Emmingergasse Ende der 1940er Jahre

Zu Ehren des in der anstoßenden Justinus-Heinrich-Knecht-Straße geborenen Landschaftszeichners und Lithographen Eberhard Emminger (1808-1885) führt die kleine Gasse seinen Namen. Das Gebäude rechts ist die Emmingergasse 4, dessen Eigentümer Eugen Hörnle „zum Rebstock“ war. Die beiden anschließenden Gebäude gehörten dem Viehhändler Hermann Dollinger. Schon 1872 führte die Familie Dollinger hier eine Metzgerei. Sie ist der Ursprung der Spezialitätenmetzgerei Koch, die erst 1989 mit der Fleisch- und Wurstproduktion in der Bleicherstraße zog. Der Blick führt hinauf zu einem der alten Weberhäuser in der Weberberggasse und zum Gigelturm. Das Foto stammt aus einer Reihe von Aufnahmen, die das alltägliche Leben auf dem Weberberg dokumentieren sollten. Damit wurde von professioneller Fotograf beauftragt, der technisch gute und schöne Aufnahmen angefertigt hat.

September

Weberberggasse gegen Westen um 1930

An den Stiegen, die zum Wohnstock hinaufführen, erkennt man die alten Weberhäuser. Die Weber, die wegen der durch die Webstühle verursachten Erschütterungen und der auf Grund der höheren Luftfeuchtigkeit größeren Geschmeidigkeit des Flachses in Kellern arbeiteten, brauchten für ihre Arbeit Tageslicht; die Belichtung war am besten, wenn die Keller als Halbstock über den Boden herausragten. Statt eines „richtigen“ Webkellers behalfen sich die Weber, vor allem auch die Landweber, nicht selten mit einer in den Boden eingegrabenen Vertiefung. Dort lagen die Fachwerkhäuser an der „Webergasse“, die immer wieder vom Geklapper der mehr als 400 Webstühle erfüllt waren. Galt es doch aus italienischer Baumwolle und oberschwäbischem Leinen den Barchent für warme Kleider, Rauhaardecken oder Wäsche herzustellen. Das praktische und deshalb begehrte Tuch konnte durch vermögende Biberacher Handelsherren auf den Märkten Westeuropas, Englands bzw. Spaniens mit Aussicht auf Erfolg angeboten werden.

Oktober

Holzmarkt mit der ehemalige Stadteich und dem Salzstadel um 1930

Der südliche Teil des ehemaligen Kapellenplatzes, so genannt nach der 1442 erbauten und 1806 abgetragenen Nikolaikapelle, führt heute den Namen „Holzmarkt“, da hier der Handel mit Brenn- und Bauholz abgehalten wurde. Auf diesem Platz stand das am 10. Mai 1896 eingeweihte Denkmal Kaiser Wilhelm I., bis es 1927 in die Parkanlage beim evangelischen Friedhof versetzt wurde. Auf dem Bild ist links die ehemalige Stadteich der Stadtrechnerei von 1484 u sehen. Dem spätgotischen Gebäude wurde 1898 ein weites Stockwerk aufgesetzt. In der Mitte der Weiße Turm. Davor der kleine Laden des Metzgermeisters Christian Schlecht, der eine Metzgerei und eine Wurstwarenfabrik betrieb. 1985 wurde an dieser Stelle ein neues Eiscafé eröffnet, in dem heute die Hofpfisterei München ihre Backwaren verkauft. Das große Gebäude rechts mit dem Staffelgiebel ist der 1513 erbaute Salzstadel, der in den letzten Jahren umfassend saniert wurde.

November

Die Evangelische Heilig-Geist-Kirche um 1930

Die Heilig-Geist-Kirche steht an der Ulmer Straße inmitten des alten evangelischen Friedhofs. Der Vorgängerbau wurde erstmals 1286 als Spitalkirche erwähnt, das damals außerhalb der Stadtmauern lag. 1603 erfolgte ein Neubau, der aber in den Wirren des 30jährigen Krieges abgebrochen wurde. Mit dem Wiederaufbau wurde 1649 begonnen, der 1662 mit der feierlichen Einweihung als evangelische Gottesackerkirche seinen Abschluss fand. Sie verfiel bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in einen Dornröschenschlaf, aus dem sie erst 1913 erweckt wurde. Da erfolgte eine umfassende Renovierung des Gebäudes und der Ausstattung mit dem ausdrücklichen Verbot von Veränderungen und Erneuerungen, um den historischen Charakter des Gebäudes zu erhalten. Damit die Kirche wieder verstärkt für den Gottesdienst genutzt werden konnte, wurde bei dieser Gelegenheit eine Orgel der Biberacher Orgelbauerfamilie Reise eingebaut. Bei der Sanierung in den Jahren 1951 bis 1952 erfolgte dann der Einbau eines Altar, eines Taufbeckens, des neuen Gestühls und einer neuen Kanzel. Dabei wurden auch die Epitaphe bedeutender evangelischer Bürgerfamilien restauriert. Heute gehört die Kirche der Heilig-Geist-Gemeinde, eine der fünf Teilkirchengemeinden der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Biberach.

Dezember

Kirchplatz mit Mesnerhaus bei Nacht

Die ehemalige Obere Kapelle (rechts) diente nach ihrer Profanierung im Jahre 1533 als Mesnerwohnung und Almuspflege, der die Verwaltung des Stiftungsvermögens oblag. Aus der Unteren Kapelle machte man den spitälischen Weinkeller. 1849 wollte man das baufällige alte Gebäude abbrechen und ein neues Mesnerhaus bauen, wegen der hohen Kosten wurde aber nur die westliche Giebelwand neu aufgeführt. Die beleuchteten Marktplatzhäuser im Hintergrund beherbergten übrigens – wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten – alle einmal Wirtschaften: Das Haus Marktplatz 2 war der „Bären“, das Haus 4 der „Weiße Adler“ und das Haus 8 der „Adler“ oder „Stern“.